Bericht Armenien von Grenze Bagratashen - Grenze Agarak
Vom 12.August 2014 – 03.September; 23 Tage
Gesamt Armenien (680km)
Vom 12.August 2014 – 17.August 2014 Tag 137 – Tag 142
Etappe Marneuli – Yerevan 254 km; Gesamtkilometer: 6076
Autor: Andrea Büchsenschütz
Eigentlich wollten wir Marneuli möglichst früh verlassen, doch daraus wurde nichts, denn der Umtausch vom georgischen Lari in andere Währungen war komplizierter als erwartet. Direkter Tausch in die armenische Währung Dram ist nicht möglich und der Tausch in Euro schwierig, weil die Wechselstuben und Banken nicht ausreichend Euro vorrätig haben. Also liefen Micha und Robert diverse Wechselstuben ab, ich bewachte die Räder und stand für Auskünfte an die Passanten parat. Endlich wieder mit Euro versorgt schlug die Uhr bald Mittag und so stoppten wir an der nächsten Imbissbude, lecker Frikadellenbrötchen und Pizza. Gestärkt ging es endlich raus aus der Stadt, die Landschaft ist karg, wenig Ortschaften, viele verfallene Häuser. Die Region wirkt deprimierend, eben typisch Grenzregion, dazu kam noch die Hitze, irgendwann zeigte das Thermometer 43 Grad. Die Abfertigung an der Grenze verlief unproblematisch, Stempel in den Pass und fertig. Wir trafen noch auf 5 Berliner, die mit ihrem alten Auto an einer offenen Rallye teilnehmen, das Ziel ist die Mongolei. Ich hoffe die 4 und ihre alte Karre schaffen es bis ins Ziel! Kurz nach der Grenze wollten wir zelten, ich war ziemlich geschafft, die Hitze war einfach zu viel. Zelten ist hier aber nicht so ganz einfach, da der Fluss die Grenze zu Georgien bildet darf man dort nicht zelten. Wir haben einen tollen Platz auf der anderen Flussseite gesehen und wollten über eine Brücke rüber, als wir vom Militär angehalten wurden. Einer der Beiden war ganz entspannt, der hätte uns auch an ihrem Grenzposten zelten lassen, doch sein Kollege schickte uns weiter. Direkt an der Straße fanden wir ein kleines Plätzchen am Fluss, nicht besonders schön, alles voller Müll, den wir zuerst beseitigen mussten, aber für eine Nacht okay.
Die Kopfschmerzen waren auch am nächsten Morgen nicht verschwunden und so machte mir das Radeln nicht wirklich Spaß. Von der Umgebung nahm ich deshalb nicht viel war, wir fuhren durch eine Schlucht Richtung Alaverdi, schmale Straße, kleine Orte und uralte Autos und Busse. In Alaverdi trafen wir auf Backpacker aus Frankreich, ich bekam eine Cola geschenkt und sie versorgten uns mit Info´s aus ihrem Reiseführer. An der nächsten Bank haben wir Bargeld besorgt, das Portemonnaie platzte fast, der Automat spukte 150000 Dram aus und das in relativ kleinen Scheinen. Klingt viel, sind aber nur etwa 270 Euro! Der Ort hatte sogar einen gut sortierten Supermarkt, also noch einkaufen und direkt vor der Tür Schokoriegel und Cola verzerren. Der Schokoriegel- und Colakonsum steigt stetig an, gut das wir die Kalorien direkt beim Radeln wieder verbrennen, sonst wären wir schon kugelrund. Irgendwie kamen wir zu keinem Schluss ob wir eine feste Unterkunft nehmen, der Ort wirkt nicht gerade einladend oder weiter fahren oder was auch immer, heute ist der Wurm drin! Jedenfalls wollten Micha und ich eines der beiden alten Klöster sehen, immerhin Unesco Welterbe und so entschieden wir uns, noch eine Bergetappe einzulegen. 5 km bergan auf ein Hochplateau, dort liegt der Ort Sanahin und das gleichnamige Kloster. Robert fuhr weiter Richtung Vanadzor, das hieß Abschied nehmen nach über einer Woche gemeinsamen Radeln, aber wir werden in Kontakt bleiben und uns sicher nochmal treffen. Sanahin ist ein kleines Dorf, ein paar Hochhäuser wirken, als ob sie jeden Moment zusammenfallen, die traditionellen Bauernhäuschen sehen mit ihren verzierten Veranden hübsch aus, doch auch hier nagt der Zahn der Zeit. Am Ortsende liegt das Kloster, davor ein paar kleine Souvenir-Läden und Bauernhäuschen. Es ist schon spät, unsere Übernachtung noch ungeklärt, aber Fragen hilft und so dürfen wir direkt vorm Kloster zelten. Unser Zelt steht vorm Unesco Welterbe und ist eine kleine Attraktion für sich! Die Nachbarn besuchen uns, es werden Foto´s gemacht und Fragen beantwortet, die Klosterbesucher schauen vorbei und sind ebenfalls von unserer Tour begeistert. Bald schon kehrt Ruhe ein und wir sind wieder allein.
Morgens besichtigen wir die Klosteranlage in Ruhe, noch kein Tourist ist in Sicht. Die Anlage entstand bereits im Jahr 966, besonders sind hier u.a. die Chatschkar, das sind verzierte Gedächtnisstein, in der Mitte ein Kreuz, dieses ist umgeben von geometrischen Mustern, Schriften oder auch Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt. Der wichtigste Teil des Klosters ist die Erlöserkirche mit Gavit ( nur in Armenien vorkommende Vorhalle). Wir zünden noch Kerzen an und kaufen Postkarten bei einer alten Dame, die sich um die Klosteranlage kümmert. Ihre Enkelin aus Yerevan ist zur Zeit zu Besuch und so bekommen wir noch ein paar Informationen zu den vielen Sehenswürdigkeiten. Sie erklärt uns noch, dass das Wort Sanahin „Dieses ist älter als jedes“ bedeutet und somit den Anspruch erhebt älter zu sein als das Kloster Haghpat welches 4 km Luftlinie entfernt auf einem anderen Plateau steht! Danach machen wir uns auf den Weg und dürfen zügig ins Tal zurück sausen. Wir radeln durch die enge Debed Schlucht, die Straße wird immer schmaler und wenn nicht genug Platz ist, dann kommt ein Tunnel! Die Tunnel sind zum Glück nicht besonders lang, denn sie sind nicht beleuchtet, nicht belüftet und nicht wirklich asphaltiert, es handelt sich einfach um Löcher, die grob in den Fels gehauen wurden! Ich bin froh, dass gerade kein stinkender LKW oder Bus vorbei kommt und so schaffen wir es fast ohne Atemnot durch die Tunnel. Die Busse sind sowieso einmalig, alte gelbliche klapprige Gefährte, die der Rost zusammenhält und auf dem Dach liegen große Gasflaschen mit denen sie betrieben werden. Gas ist auch ein Thema für sich, die Gasleitungen verlaufen oberirdisch, über den Einfahrten machen sie einen hohen Bogen, damit die Einfahrt passierbar bleibt. Die Leitungen sind oft rostig, man kann sie zischen hören, aber es funktioniert anscheinend tatsächlich, ab und zu gibt es sogar Gaszähler! Der Tag neigt sich dem Ende zu und wir suchen nach einer Zeltmöglichkeit. Doch die Schlucht ist so eng, dass man schlecht zelten kann, wir nehmen ein Motel, nicht besonders toll, aber wenigstens leckeres Essen.
Wir wollen es heute bis Spitak schaffen, das Tal ist nicht mehr so eng, dafür wird es zunehmend steiler, wir müssen ja auch mal wieder auf über 2000 m. Spontan haben wir beschlossen doch in die Hauptstadt Yerevan zu fahren und später zum Sevan See. Die Strecke wirkt zunächst deprimierend, viele kaputte Häuser und Fabriken, überall liegt Müll, am Straßenrand rosten alte Autos vor sich hin, in einem ausrangierten LKW wächst sogar schon ein Baum! Die Landschaft ist schön, doch die Ortschaften sind heruntergekommen und arm. Georgien war deutlich weiter entwickelt, auch die Straßen sind in schlechtem Zustand, selbst die sogenannten Hauptstraßen. Die Leute sind freundlich und hilfsbereit, sucht man nach Wasser bekommt man zuverlässig den nächsten Brunnen genannt. An den Straßen oder in den Orten stehen immer öffentliche Brunnen, die Jeden mit Trinkwasser versorgen, manche sind gespendet von Verstorbenen, wie man am Grabstein erkennen kann. Mittags sitzen wir auch an so einem Brunnen mit Grabstein und sogar mit Pavillon, als ein Radler vorbei kommt. Es ist Hans aus der Schweiz, den wir schon in Trabzon vor der Iranischen Botschaft getroffen haben! Er ist schon seit den 90 `er Jahren unterwegs, ab und zu in der Schweiz, aber meist auf der Straße! Er will auch in den Iran, da er schneller unterwegs ist, will er uns per Email über Neuigkeiten informieren. Wir kommen durch Spitak, kaufen ein und zelten schließlich hinter Spitak am Krankenhaus.
Es wird steil, die Serpentinen winden sich den Berg hinauf, wir sind so langsam, auch die LKW sind kaum schneller und pusten uns ihre stinkenden schwarzen Abgase in die Nase. Ein Minibus und ein Traktor bieten uns eine Mitfahrgelegenheit an, doch wir schaffen es alleine bis auf die Höhe (2175 m) und sehen in der Ferne einen Berg mit schneebedeckter Kuppe. Jetzt geht es runter auf eine Hochebene, der kurze Stopp am Minimarkt wird länger als geplant, es zieht ein Gewitter und Regen auf, Zwangspause. Der schneebedeckte Berg ist näher gekommen, der Aragats mit 4090 m ist nicht zu übersehen. Es geht weiter, mal hoch, mal runter und dann kommt uns ein Radler entgegen. Ein Mann aus China, er lebt auf der Straße, denn er radelt seit 1992 um die Welt! Wir erzählen, er zeigt Foto´s und dann kommt noch ein Radler vorbei, ein Pole auf Rundreise, ganz schön was los auf der Passstraße. Die Landschaft ist schön, jedoch baumlos und so freuen wir uns, als ein kleines Waldstück kommt, ideal zum Zelten. Die obligatorische Kuhherde kommt noch vorbei und dann herrscht Ruhe!
Auf nach Yerevan, es geht in die Hauptstadt und bald nur noch bergab! Die M 1 wird tatsächlich ausgebaut, sie wird zweispurig in jede Richtung, hat sogar schon einen Randstreifen und so ist das Fahren bei zunehmenden Verkehr kein Problem. Unterwegs müssen wir halten, eine Familie will uns eine große Tüte Pfirsiche schenken, super, schon haben wir ein zweites Frühstück. Wir fahren mit gemischten Gefühlen nach Yerevan, die Landbevölkerung brach nicht gerade in Begeisterung aus, als wir erzählten, dass wir dahin wollen. Selbst ein Polizist riet uns von der Hauptstadt ab, wohl nicht wegen Kriminalität, aber einen Grund konnte auch er uns nicht nennen. Es ist seltsam, wenn die Bevölkerung ihre eigene Hauptstadt ablehnt, normalerweise sind die Leute stolz auf ihre Hauptstadt. Später haben wir eine eigene Erklärung gefunden, denn Yerevan wird herausgeputzt und verschönert, große Straßen, schicke Häuser und teure Einkaufsmeilen entstehen, während die Landbevölkerung mit schlechter Infrastruktur zurecht kommen muss! Mit Navi finden wir das Zentrum, zwei Deutsche empfehlen uns ein Hostel, guter Tipp. Der nächste Tipp kommt von einer deutschen Gruppe, die im Hostel wohnen und auf Trekkingreise sind, sie haben ein gutes und günstiges Restaurant gefunden und so ist auch das Abendessen gesichert.
Vom 18.August 2014 – 25.August 2014 Tag 143 – Tag 150
Yerevan und Etappe Yerevan – Vayk 205 km; Gesamtkilometer: 6281
Autor: Andrea Büchsenschütz
In Yerevan´s Innenstadt gibt es einige Parkanlagen, mit hübschen Brunnen oder kleinen Teichen und unzähligen Bars und Cafe´s. Ein Grüngürtel verläuft im Halbkreis um die Innenstadt, sehr angenehm bei über 30 Grad durch schattige Parks zu laufen. Bei unserem Rundgang ließen wir auch nicht die Cascade aus, ein treppenförmig angelegter Park mit Wasserspielen und jede Menge moderner Kunst. Davor treffen wir einen der Backpacker aus Polen wieder, mit dem wir bereits vor der Iranischen Botschaft standen! Er war 25 Tage im Iran und ist jetzt über Armenien und Georgien auf dem Heimweg. Und wie es der Zufall so will treffen wir auch die große Gruppe aus Portugal vorm Supermarkt wieder, bald haben wir alle Leute aus Trabzon unterwegs erneut getroffen. Der Supermarkt ist sehr europäisch, die meisten Produkte kommen aus Deutschland, Italien usw., alles ist entsprechend teuer, aber der Supermarkt ist immer voll, europäische Produkte sind hier anscheinend in! Die neu entstehende Fußgängerzone mit zahlreichen modernen teuren Boutiquen könnte man auch in einer deutschen Stadt finden, Yerevan wirkt sehr westlich orientiert, keine andere Stadt in Armenien ist so herausgeputzt. Die vielen neuen Gebäude passen allerdings zum Stadtbild, denn der alte Baustil wird beibehalten und etwas abseits finden sich noch alte kleine Häuser in engen Straßen, dazwischen ein Markt mit vielen Gassen in denen von Bekleidung bis Haushaltswaren alles zu finden ist. Eine traditionelle Markthalle mit Obst- und Gemüseständen runden das Bild ab. Abends werden die Straßen voller, die Hitze lässt nach und alle sitzen in Bars und Cafe´s die man in den Parkanlagen findet. Wir machen heute mal auf Bayrisch und kehren im Paulaner ein, nach langer Zeit ein Weizen, hmm lecker, Kölsch gibt’s leider nicht.
Um die Tempelanlage von Garni und das Geghard Kloster zu besichtigen haben wir ein Taxi genommen, ist die einfachste Lösung, denn beide Anlagen liegen natürlich auf einem Berg, ca. 40 km von unserem Hostel entfernt. Die Hostelmitarbeiter haben das Taxi organisiert und schon ging die rasante Fahrt los. Yerevan liegt auf 989 m, kurvenreich geht es rauf und runter, über 1600m hoch und in eine Senke mit 1400m, mir ist ein wenig schummerig als wir am Garni Tempel halten. Die Anlage besteht aus den Resten einer Sommerresidenz, dem Badehaus und den gut erhaltenen römischen Tempel. Während dem Rundgang erhole ich mich und genieße den spektakulären Blick auf die Berge und die Schlucht. Im zügigen Tempo saust unser Taxi weiter den Berg hinauf, auf über 1700 m Höhe liegt das Geghard Kloster. Es wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. gegründet, im 9. Jahrhundert zerstört und 1215 wieder errichtet. Das besondere am Kloster sind die vorhandenen Höhlen, die in den Bau mit einbezogen wurden, eine sehenswerte Anlage, die auch zum UNESCO Weltkulturerbe gehört.
Nach 4 Tagen Yerevan geht es wieder auf´s Land, zunächst über die Landstraße. Nach 10 km liegt die Stadt endlich hinter uns, es geht bergauf, insgesamt 30 km mit 900 Höhenmeter. Auf der Straße ist viel Verkehr, die stinkenden LKW verpesten die Luft und verschaffen mir Kopfschmerzen. Ich wundere mich über die vielen Verkaufsstände mit Schwimmreifen, Badesachen und Grillzubehör, dann fällt mir ein, dass es die Straße zum Sevansee ist, der ist noch etwa 40 km entfernt. Alles, was der Badewillige braucht, bekommt er hier und jetzt und sonst nirgends, falls man für den Grill ein Schaf braucht, findet man es auch genau hier und lässt es an Ort und Stelle schlachten! Wir brauchen kein Schaf, nur einen Platz zum Zelten und den finden wir in einem kleinen Wäldchen.
Die folgenden Verkaufsstände haben keine Badesachen mehr, jetzt gibt es auf den nächsten Kilometern Händler die Pilze verkaufen, ein Pilzstand folgt dem nächsten. Wer jetzt noch Badesachen braucht, der hat Pech gehabt, gibt es nicht mehr, auch nicht am See! Wir kommen nach einigen auf´s und ab am See an, der Sevansee ist etwa doppelt so groß wie der Bodensee und liegt auf ca. 1900 m. Das gesamte Areal ist ein Natur-Reservat, dass hält aber niemanden davon ab den Müll in die Landschaft zu werfen, sehr traurig. Den Ort Sevan lassen wir links liegen und fahren direkt Richtung Südosten am See entlang. Zunächst viel Bebauung und unzählige Bauruinen, unfertige Hotels und Ferienanlagen säumen das Ufer, dem Land ist einfach das Geld für Bauprojekte ausgegangen und jetzt gammelt alles vor sich hin. Beim Hayravank Kloster finden wir eine Badebucht wo wir gegen einen kleinen Geldbetrag unser Zelt aufschlagen dürfen. Heute im See baden statt duschen, auch schön!
Der südliche Teil des See´s ist kaum noch bebaut, sehr schöne Landschaft, hohe Berge und viel Ruhe, wir sehen sogar Adler! In Martuni kaufen wir noch ein und ab geht’s in die Berge. Auf dem Weg nach oben treffen wir noch eine Familie, die Hühner direkt vom Kleinlaster verkauft, wir halten ein Schwätzchen und weiter geht’s immer den Berg hoch. Noch ein paar Dörfer und dann nur noch weites Land. Bei einer Wasserstelle finden wir einen Zeltplatz (auf 2222 m) und werden mal wieder beschenkt, dieses mal Paprika, die gibt es morgen zum Mittagessen.
Den Pass mit 2420 m meistern wir am nächsten Morgen, es ist endlich mal bewölkt und angenehm kühl, herrlich. Von der Passhöhe rasen wir 32 km nur bergab, da tun einem die Hände vom Bremsen weh und nicht die Beine. Das Tal liegt tief unter uns in einer Schlucht, die Straße windet sich in Serpentinen den Berg hinab und gibt immer wieder neue Aussichten auf die umliegende Bergwelt frei, eine faszinierende Landschaft. Das Tal ist grün, die ersten Dörfer kommen in Sicht, es wird Obst und Gemüse angebaut und direkt an der Straße verkauft. Die Wolken haben sich aufgelöst, die Sonne brennt und es ist wieder heiß auf nur noch 1100 m. Nach jedem bergab folgt unweigerlich ein bergan und so müssen wir die nächsten Kilometer wieder hoch, noch 15 km bis Vayk, ab ins Hotel, duschen, schlafen, pausieren, denn der nächste Pass kommt bestimmt morgen!
Vom 26.August 2014 – 29.August 2014 Tag 151 – Tag 154
Vayk – Goris und Aufenthalt in Goris 102 km; Gesamtkilometer: 6383
Autor: Andrea Büchsenschütz
Wir müssen wieder auf den Berg, 30 km Anstieg zum Vorotan-Pass liegen vor uns, die Passhöhe liegt auf 2344 m! Doch zunächst geht es gemächlich bergan immer am Arpa-Fluss entlang, es ist schön grün und die Bäume spenden Schatten. Bald ist es vorbei mit dem Schatten, die Straße wird steiler, ich gehe mal wieder ein Stück zu Fuß. Im letzten Ort vor der Passhöhe gab es noch einen Mini-Market, Versorgung mit Wasser und Schokolade sichergestellt! Die Serpentinen kommen in Sicht, doch die Passhöhe kann man nicht mal erahnen. Jetzt spielt auch noch das Wetter verrückt, es ziehen dicke dunkle Wolken auf und man hört es donnern, in der Ferne zucken Blitze über den Himmel und der Wind frischt ordentlich auf. Steil bergauf bei Gegenwind mit nahendem Gewitter ist wahrlich kein Spaß, dass sind die Momente, wo ich mich fragen, was machst du eigentlich hier, warum bist du nicht zu Hause auf deinem Sofa geblieben. Aber nein du kämpfst mit den Elementen und fühlst dich klein und unwichtig gegenüber der gewaltigen Natur. Glücklicherweise kommt ein Restaurant in Sicht, wir warten ab, die Gewitter ziehen weiter, der starke Wind bleibt. Ich schiebe mein Rad die letzten Meter hoch zur Passhöhe, viel Trubel hier, LKW-Fahrer aus dem Iran, Touristen aus Italien, Armenier und Händler. Wir sehen einen großen See, das Spandarian Wasserreservoir, in der Ferne glänzen. Noch 5 km runter sausen und ein Platz für unser Zelt ist gefunden, das Wetter macht was es will, wir haben gerade so die Nudeln fertig gekocht und das Teewasser in die Kanne geschüttet, da schüttet sich auch der Himmel über uns aus. Es regnet und donnert, wir sitzen im Zelt und essen und irgendwann lässt sich tatsächlich noch kurz die Sonne blicken.
Morgens haben wir wieder Besuch von einer großen Kuhherde, der Hirte reitet vorbei und winkt zurück. Es ist kühl hier oben, die Sonne beginnt uns zu wärmen, wir machen uns auf den Weg, die Berge leuchten, der See glänzt, es ist ruhig und friedlich, vorbei sind meine Gedanken vom Vortag, ich will nicht zu Hause auf dem Sofa sitzen, hier bin ich genau richtig! Wir radeln am See entlang, die Berge spiegeln sich in ihm und wir genießen den Morgen. Die Straße geht rauf und runter, manch eine 9% Steigung ist zu überwinden, weit und breit kein schattiges Fleckchen, ein mickriger Busch muss reichen. Wir wollen uns gerade im Straßengraben unter dem Busch niederlassen, als ein PKW hält. Ein Pärchen aus dem Iran hatte uns überholt und ist extra zurückgefahren, nur um uns Pfirsiche zu schenken, mit uns zu sprechen und mit dem Handy einen kleinen Film zu drehen. Sie kommen aus Teheran und sind auf dem Heimweg, große Freude, als wir berichten, dass wir ihr Land besuchen werden! Als wir endlich auf 2176 m angekommen waren ging es nur noch bergab nach Goris, leider ist die Straße teilweise in sehr schlechtem Zustand und so ist man ständig mit bremsen und aufpassen beschäftigt. Ich sehe einen jungen Mann zu Fuß gehen und rufe Micha zu, dass wir anhalten sollten, vielleicht braucht er irgendwas. Er nimmt dankbar eine Flasche Wasser von uns, denn seines ist aufgebraucht, endlich können wir auch mal etwas zurückgeben! Der junge Armenier lebt in Moskau und geht zu Fuß durch Armenien und Georgien, Respekt! Wir verabschieden uns, kurze Zeit später ein Aussichtspunkt, tief unten im Tal liegt Goris umgeben von viel grün, wir steuern ein Hotel an und lassen den Abend auf dem Balkon mit einem Willkommensbier ausklingen.
Die Hotelwirtin spricht sehr gut englisch, sie erklärt uns detailliert, wo welche Sehenswürdigkeiten liegen und zeigt Bilder. Wir bekommen ein leckeres Frühstück serviert und der von ihr organisierte Taxifahrer bringt uns nach Halidzor. Dort starten die „Wings of Tatev“ , eine Seilbahn die über die Vorotan-Schlucht nach Tatev geht und somit den Weg zum Tatev Kloster erleichtert. Die Pendelbahn gehört mit 5,75 km zu den längsten der Welt und schwebt über der etwa 500 m tiefen Schlucht. Gebaut wurde sie von der Doppelmayr/Garaventa Gruppe mit Firmensitz in Österreich, eines der führenden Unternehmen im Seilbahnbau, auch die Seilbahn über den Rhein zw. Koblenz und Ehrenbreitstein (BUGA Koblenz) wurde von dieser Firma gebaut und so fühlte ich mich gleich viel sicherer! Die Fahrt über die Schlucht dauert etwa 15 min. und ist sehr beeindruckend, man kann es mit Worten nicht wieder geben! Der Taxifahrer folgte weiter der Straße und wartete in Tatev auf uns. Wir besichtigen die Anlage, das Kloster wurde 895 gegründet und hatte große religiöse Bedeutung in Armenien, war zeitweise Universität und auch Bischofssitz. Noch heute leben hier einige wenige Mönche. Den Berliner Radfahrer Rico, den wir bereits am Sevansee getroffen hatten, lief uns hier auch über den Weg, er ist jetzt mit einem Radler aus Kassel unterwegs, sie wollen wie wir in den Iran. Unser Taxi bringt uns wieder zurück, doch der Weg ist beschwerlicher als mit der Seilbahn. Es geht fast 6 km bergab, auf einer üblen Offroad-Piste mit 12% Gefälle. Sind wir froh, den Weg nicht mit der Rad genommen zu haben. Denn laut Karte soll die Straße bis Tatev geteert sein, großer Irrtum! Unten in der Vorotan-Schlucht führt ein Weg zur sog. Devil´s Bridge. Der Fluss hat sich sein Bett in die Felsen gegraben und dabei ist eine natürliche Brücke entstanden, die Devil´s Bridge, außerdem sind Wasserbecken entstanden, in denen man baden kann, soll angeblich heilende Wirkung haben! Das Taxi bringt uns wieder raus aus dem Tal, 12 % bergan, aber jetzt auf geteertem Weg. Auch alte Männer können rasen und so braust der Taxifahrer mit quietschenden Reifen durch die Kurven der Serpentinen, immer schön am Abgrund entlang. Wer etwas Nervenkitzel verträgt, der sollte in Armenien unbedingt Taxi fahren! Ein wenig schwindelig, aber Wohlbehalten in Goris angekommen, kaufen wir noch ein und machen es uns im kleinen bunten Garten hinter dem Hotel gemütlich.
Letzter Tag in Goris, heute sehen wir uns Old Goris an. Die frühere Stadt bestand aus Wohnungen, die in den Fels gehauen wurden, es erinnert ein wenig an Kappadokien in der Türkei, nur viel kleiner. Ein hübsche Kirche ist auch zu sehen, diese ist renoviert wurden. Danach haben wir mangels Supermarkt fast alle örtlichen Mini-Markets abgeklappert, um unsere schwindenden Essensvorräte aufzufüllen. Gut, wenn der eine Händler weiß, dass das Nachbargeschäft die noch fehlenden Produkte hat. Ich spreche noch immer kein Armenisch und auch kein Russisch und wenn Englisch nicht hilft, dann darf ich hinter den Verkaufstresen! Zur Belohnung und Entspannung sitzen wir wieder im Garten, morgen geht es weiter, noch 2 Pässe bis zur Grenze zum Iran. Wenn alles gut geht sind wir in 5 Tagen dort.
Vom 30.August 2014 – 03.September 2014 Tag 155 – Tag 158
Goris - Agarak 151 km; Gesamtkilometer: 6534
Autor: Andrea Büchsenschütz
Goris liegt auf etwa 1300 m und so durften wir erst noch weiter runter sausen in die Vorotan-Schlucht bis in den gleichnamigen Ort Vorotan auf 750 m. Die Straßen sind nicht die Besten und so ist das Bergabfahren nicht wirklich entspannend, einmal nicht aufgepasst und schon fliegt man über eine Bodenwelle, also immer schön langsam über die Waschbrettpiste. In Vorotan hat man direkt die Serpentinen vor Augen, die sich unaufhörlich nach oben winden und der Gipfel ist nicht mal zu sehen. Dann folgt ein langes Stück schön steil immer geradeaus, ich schaffe es mit Mühe in die nächste Serpentine, verschnaufe und will auf Micha warten. Da kommt er schon um die Ecke gesaust, ich denke noch, wo hat der Mann die Kraft her, so schnell zu sein und dann sehe ich wie er sich mit einer Hand an dem iranischen LKW festkrallt und sich ziehen lässt! Ich habe mich mit 4 km/h da rauf gequält und er mit LKW-Hilfe mit 10km/h, Frechheit ;-) Irgendwann sind wir so weit oben, dass wir auf der gegenüberliegenden Seite der Vorotan-Schlucht die Hochebene erkennen, auf der wir ein paar Tage zuvor nach Goris geradelt sind. Die Felsen und die tiefen Schluchten sind schon etwas Besonderes, mit Worten kaum zu beschreiben, selbst unsere Bilder können die Realität nicht wiedergeben.
Schließlich sind wir oben, leider noch nicht ganz, eine Senke folgt, hier liegt eine kleine Ortschaft, aber mehr als eine Pepsi gibt es nicht zu kaufen! Auf der gesamten Bergstrecke keine Orte und auch keine Brunnen, also kein Wassernachschub! Nach der Senke sind wir auf der Passhöhe mit etwa 1700 m, es geht endlich bergab, Freude pur. Leider nicht lange, denn nach kurzer Zeit folgt eine knackige Zwischensteigung, wir halten an einem Parkplatz, hier soll ein Brunnen sein. Glücklicherweise läuft noch ein kläglicher Rinnsal aus dem Rohr, es dauert über 20 Minuten, bis zwei Flaschen gefüllt sind! Jetzt haben wir auf jeden Fall genug Wasser, reicht zum Kochen und zur Körperpflege. Noch die letzten 250 Höhenmeter hoch schnaufen, dann sehe ich eine Parkbucht, folge dem Weg und stehe auf einem kleinen Platz. Ein paar Bäume, weit genug von der Straße entfernt und sogar ein Pavillon, einen besseren Zeltplatz kann man kaum finden. Unser Steri-Pen kommt auch endlich zum Einsatz, das gezapfte Wasser desinfizieren wir zur Sicherheit, dann wird gekocht und zum Nachtisch gibt es sogar Kaffee und Kekse.
Nun geht es endlich bergab bis Kapan, die Straße ist in schlechtem Zustand, teilweise Baustelle und offroad, wir sind froh endlich in Kapan anzukommen. Noch schnell den nächsten Supermarkt plündern und durch das Flusstal langsam an Höhe gewinnen, der Meghri-Pass mit 2535 m wartet auf uns, jetzt sind wir gerade mal auf 700 m! Das Flusstal ist sehr eng, hohe Berge säumen den Weg, man merkt auch hier, dass der Herbst langsam kommt, die Bäume leuchten in grün, orange und rot, doch die Temperaturen sind noch hochsommerlich. Wir halten die Augen nach geeigneten Zeltmöglichkeiten auf, schwierig, steile Hänge oder eingezäunte Kleingärten. Kurz vor Kajaran auf etwa 1600 m winken uns Leute zu sich, sie sitzen an einem schönen Platz am Fluss, mit Pavillon und Brunnen, ideal zum Zelten. Wir sollen uns setzen, bekommen Teller hingestellt und ein großer Topf wird vom Feuer geholt, es gibt Mufflon. Natürlich müssen wir auch Schnaps trinken und auf Freundschaft und Frieden anstoßen. Das Mufflon hat Ando in den Bergen selbst geschossen, es ist sehr lecker. Wir unterhalten uns mit einer Mischung aus Händen und Füßen und Englisch, die 5 Männer sind gut drauf, liegt wohl auch am Schnaps. Zwei sind verheiratet und haben Kinder, aber solche Party´s feiern sie wohl eher ohne Frauen. Wir dürfen hier auf jeden Fall zelten, doch sollen wir lieber bei ihnen zu Hause schlafen, dann können wir mehr Schnaps trinken, wir können auch länger bleiben oder mit dem Auto über den Pass fahren und außerdem ist es zum Zelten zu kalt, die Argumente gegen das Zelten gehen den Jungs nicht aus. Wir bauen unser Stoffhaus auf, zeigen unsere Schlafsäcke mit den Temperaturangaben und versichern, dass alles gut ist. Sie räumen den Platz auf, nirgends liegt Müll herum, für Grillplätze in Armenien eher ungewöhnlich, denn normalerweise schmeißt jeder seine Reste einfach in die nächstbeste Ecke. Hier jedoch nicht, denn der Platz wurde als Andenken an zwei Kinder errichtet, die hier im Fluss ertrunken sind. Wir sind wieder allein, vom übermäßigen Schnapskonsum verschont geblieben und wollen eigentlich bald schlafen. Doch daraus wird nichts, denn die nächste Männergruppe ist im Anmarsch. Das Spiel beginnt von vorne, wir müssen Grillwurst essen und Fisch, dazu noch Obst, Bier gibt es auch, der Schnaps darf nicht fehlen und alle Abwehr ist umsonst. Eigentlich sind wir satt bis unter die Arme, aber das interessiert nicht, wir müssen essen und mit Schnaps anstoßen. Erst als wir erklären, dass wir morgen den Pass mit den Rädern rauf müssen, bleiben wir vom Schnaps trinken verschont und können uns schlafen legen!
Morgens geht es durch Kajaran, 1. September, Schulanfang, der ganze Ort ist unterwegs. Herausgeputzte Kinder, Eltern, Großeltern und Verwandte im besten Outfit machen sich auf den Weg zur Schule, es dröhnt schon Musik durch das Tal, die Einschulung wird ordentlich gefeiert. Nur wir haben keine Zeit zum Feiern, überqueren den Fluss und schrauben und die Serpentinen hinauf. 12% Steigung sind grausam, auch die LKW kämpfen sich vorwärts und trauen sich nur im Schneckentempo mit quietschenden Bremsen den Berg hinunter, doch zum Winken haben sie immer eine Hand frei. Der ein oder andere hält an und fragt, ob alles in Ordnung ist bei uns oder ob er uns mitnehmen soll, schön, dass die Menschen hier füreinander da sind! Wir passieren die Baumgrenze, machen auf über 2000 m noch eine kleine Pause, bekommen Besuch von einer Ziegenherde, die zu dem kleinen Bauernhof unterhalb unseres Rastplatzes gehört. Es folgen noch etliche Serpentinen, zur Belohnung tolle Ausblicke auf die Bergwelt und irgendwann sind wir oben. 2535 m sind geschafft, der bisher höchste Punkt unserer Reise, wir sind Stolz! Noch ungefähr 40 km bis zur Grenze zum Iran, wir rollen den Berg runter ins Tal, kommen an Minen vorbei, folgen dem Fluss Meghri, kommen durch den gleichnamigen Ort und sind unten auf nur noch 500 m. Es ist ungewohnt heiß, wir biegen rechts ab und folgen weiter der M 2, die windet sich durch das Flusstal vorbei am Grenzzaun zum Iran. Wachtürme auf armenischer Seite, Stacheldrahtzaun soweit das Auge reicht, ein ungewohnter Anblick für uns Europäer. Ein paar Bäume gibt es hier noch, der Fluss sorgt für etwas grün, doch auf der iranischen Seite ist alles kahl, kein Baum, kein Gras, kein Busch nur schroffe riesige Berge. Wir fahren in den letzten armenischen Ort vor der Grenze, Agarak und beziehen das günstigste Hotel, noch ein wenig ausspannen, denn im Iran haben wir bedingt durch das Visum mehr Zeitdruck. 30 Tage sind knapp, wir wollen es bis Isfahan schaffen, sind etwa 1300 km. Natürlich müssen wir ein paar Tage vor Visumablauf da sein und hoffen dort nochmal 30 Tage zu bekommen, um es über Yazd und Shiraz bis zur Hafenstadt Bandar Lengeh zu schaffen, dort geht es mit der Fähre nach Dubai und weiter in den Oman.