Bericht Grenze Litauen - Grenze Deutschland
Vom 28.Mai 2015 – 16.Juni 2015; 20 Tage
Gesamt Polen: 827km; Gesamt 2014/2015: 15.160 km
Vom 28.Mai 2015 – 08.Juni 2014 Tag 129 (394) - Tag 140 (410)
Etappe Vistytis – Torun (Thorn) 438 km Rad; 24,5 km zu Fuß, Gesamtkilometer: 3785
Autor: Andrea Büchsenschütz
Seit 12 Tagen sind wir schon in Polen unterwegs und haben die hübsche Stadt Torun (deut. Thorn) erreicht. Sie gehört zum UNESCO Weltkulturerbe, da ihre Altstadt nahezu komplett im mittelalterlichen Stil erhalten blieb. Die Stadt grenzt an den Fluss Wisla (deut. Weichsel) und sie ist von einer Stadtmauer umgeben, 3 Stadttore sind gut erhalten, die Burg ist allerdings nur noch eine Ruine und wird für unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die schönen Gassen mit ihren alten Häusern, Plätzen und vielen Kirchen laden zum bummeln ein. Kopernikus ist eine wichtige Persönlichkeit Polens und so finden wir ein Kopernikus Denkmal, auch das vermeintliche Geburtshaus steht hier. Öfter als Bildnisse und Denkmale von Kopernikus sind nur Abbildungen des früheren Papstes Johannes Paul II. Das Wetter spielt jetzt endlich mit und hat sich weitestgehend auf Sommer umgestellt. Nur der Wind bläst unermüdlich aus der falschen Richtung und hat uns in den vergangenen Tagen manches mal gequält.
Vom Grenzübertritt nach Polen über die kleine Nebenstraße hat man kaum etwas bemerkt, ein kleines Schild und schon im neuen Land. Nur mit der Währung muss man sich umstellen, kein Euro mehr, wir wechseln in Zloty. Die grüne Landschaft und die Störche sind auch hier zu finden, aber wir sind ja noch nicht an der masurischen Seenplatte, diese erreichen wir in Wegorzewo (deut. Angerburg). Ein wirklich schöner Weg führt durch Wälder und gibt immer wieder Blicke auf die Seen frei. Erste Segelboote kommen in Sicht und Angler trotzen dem heute recht kühlem Wetter, dann die ersten warmen Sonnenstrahlen, endlich und so rasten wir am See, treffen 2 Radler aus Norddeutschland und nach einer ausgiebigen Pause geht es weiter.
Wir wollen nach Gierloz (deut. Görlitz), ein kleines Dorf, aber nicht irgendein Dorf, sondern dieser kleine Ort mitten im Wald, umgeben von Sumpfgebieten war während der Herrschaft des Nationalsozialismus eine riesige Bunkeranlage, ein sog. Führerhauptquartier. Mit dem Bau der Anlage wurde 1940 begonnen und die Bautätigkeit hielt bis 1944 an, neben Verwaltungs- Wirtschafts- und Wohngebäuden entstanden schwere und leichte Stahlbetonbunker, alle sehr gut getarnt, mit Spezialputz versehen, damit Schneeflocken haften bleiben und die großen Bunker auch im Winter nicht auffallen. Hitler hielt sich seit dem Kriegsbeginn 1941 gegen die Sowjetunion die meiste Zeit in der Wolfsschanze auf, der Literatur zur Folge ca. 800 Tage. Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 durch Graf von Stauffenberg fand hier während einer Lagebesprechung statt, ein Gedenkstein erinnert an dieses Ereignis. Das Attentat war leider nicht erfolgreich, Graf von Stauffenberg wurde noch am selben Tag in Berlin hingerichtet. Anfang 1945 sprengte die deutsche Wehrmacht große Teile der Bunkeranlagen, aber der massive Stahlbeton hielt stand und so sind die Anlagen auch heute noch zu besichtigen. Auf dem Gelände befindet sich ein Hotel, das früher das Wohnhaus von Hitlers Leibgarde war, wir haben dort genächtigt, um genügend Zeit für die Besichtigung zu haben.
Auf dem Weg Richtung Olsztyn (deut. Allenstein) passieren wir den kleine Ort Swieta Lipka (deut. Heiligelinde) und schauen uns die übbige barocke Basilika an. Hier werden genau wie an der Wolfsschanze busseweise Touristen ausgeschüttet und wir beantworten mal wieder Fragen nach dem woher und wohin. Mittlerweile sagen wir schon nicht mehr, dass wir um die halbe Welt geradelt sind, das übersteigt dann doch für viele deren Vorstellungskraft, was man mit einem Fahrrad alles erradeln kann. Wenn wir erzählen, wir sind in Riga gestartet und wollen bis Deutschland, dann ist das für die meisten schon unglaublich weit! In Olsztyn legen wir einen Pausentag ein und besichtigen die Altstadt mit Marktplatz, Burg und Kirchen, die Altstädte der polnischen Orte sind meist sehr gut erhalten und auf jeden Fall sehenswert. Bis auf die ein oder andere Reisegruppe und ein paar Individual-Touristen sind die Orte erstaunlich ruhig, von Massentourismus keine Spur. In Ostroda (deut. Osterode) das gleiche Bild, der Ort liegt an der Eylauer Seenplatte, hat eine schöne Promenade, einzig die Wasserskianlage sorgt für mehr Trubel. Die Frau in der Touristeninformation von Olsztyn schlug vor nach Ilawa (deut. Eylau) zu radeln, weil da nicht so ein Rummel wie in Ostroda herrscht. Welcher Rummel??? Aber es ging tatsächlich noch ruhiger, Ilawa liegt am längsten See der Seenplatte, dem Jezioro Jeziorak (deut. Geserichsee) und ist absolut ruhig, eine handvoll Leute auf der Promenade, einige wenige auf dem Mini-Ausflugsschiff, und ein Einkaufszentrum direkt an der Seepromenade lädt ein paar wenige zum shoppen ein.
Über neu asphaltierte ruhige Nebenstraßen geht es nach Brodnica und weiter bis Torun. Nebenstraßen sind immer so eine Sache, die Straßen sind insgesamt nicht besonders gut und gerade Nebenstraße bestehen schon mal aus Pflastersteinen oder groben Stein, katastrophal für Radfahrer. Aber auch die sog. Radwege sind oft ein Alptraum, wir hatte Pflasterwege, die in grobe große weit auseinanderliegende Steinbrocken übergehen und dann von Schotterpisten abgelöst werden! Also fahren wir oftmals Hauptstraßen, der Verkehr hält sich in Grenzen, die Straßen sind einigermaßen in Ordnung und man läuft nicht Gefahr über grausame Pisten zu rumpeln, der häufig starke Gegenwind reicht völlig aus, da muss man sich nicht noch unnötig mit schlechten Straßen quälen.
Polen ist ein angenehmes Reiseland, auch für Radler, sehr freundliche und aufgeschlossene Leute, erstaunlicherweise wird noch viel deutsch gesprochen, für uns eine ganz ungewohnte Annehmlichkeit. Es gibt überall gutes Informationsmaterial, die Touristeninformationen haben engagiertes Personal und sind sehr hilfreich und es gibt neben einer abwechslungsreichen Landschaft auch schöne und gut erhaltene Städte zu sehen. Die nächste Stadt auf unserer Reise wird Bydgoszcz (deut. Bromberg) sein, danach wollen wir dem Europaradweg R 1 bis Frankfurt an der Oder folgen.
Vom 09.Juni 2015 – 17.Juni 2014 Tag 142 (412) - Tag 150 (420)
Etappe Torun(Thorn) – Frankfurt(Oder) 398 km Rad; 16,5 km zu Fuß, Gesamtkilometer: 4183
Autor: Andrea Büchsenschütz
Die letzten Tage in Polen brechen an, bis Frankfurt an der Oder sind es nicht mehr all zu viele Kilometer und schon bald werden wir wieder in der Heimat sein. Doch wir haben Zeit und so legen wir einen weiteren Tag Pause in Bydgoszcz (deut. Bromberg) ein. Die Stadt liegt an der Brahe und der Weichsel, mit dem Bromberger Kanal und der Netze ist sie mit der Oder verbunden. Ein Fluss in der Stadt ist immer etwas schönes, dazu die alten Fachwerkspeicherhäuser, etliche Kirchen und schöne alte Villen machen den Aufenthalt angenehm. Auf dem Marktplatz lässt es sich bei herrlichem Sonnenschein und einem leckeren Eis aushalten. In der Touristeninformation haben wir eine Broschüre bekommen, die einen Rundweg der Sehenswürdigkeiten beschreibt und mit diesem Heft bewaffnet klappern wir unermüdliche die Altstadt ab.
Weiter Richtung Wiecbork (deut. Vandsburg) finden wir den Europaradweg R1, in den nächsten Tagen folgen wir diesem, wenn es gerade passt. Er führt so manches mal aus unerfindlichen Gründen über Umwege, noch besser war die Sandpiste zwischen 2 kleineren Orten. Manchmal ist es einfach klüger die normalen kaum befahrenen Straßen zu benutzen. Wiecbork liegt an einem kleinen See, sehr beschaulich und schön zum Übernachten. Mehrere Kinder- und Jugendgruppen sind auch gerade da und nutzen die unterschiedlichen Sportmöglichkeiten zu Wasser und zu Land.
Das Wetter ist leider nicht immer auf unserer Seite und es regnet mal wieder, der Wind macht auch was er will, am liebsten bläst er kräftig von vorn und bremst uns arme Radler aus. Aber was soll´s, da müssen wir durch, hatten schon schlechtere Bedingungen auf unserer langen Reise. Wir überqueren den Ostwall, das Gebiet wird jetzt vom polnischen Militär genutzt, das Betreten der ausgedehnten Wälder ist daher untersagt. Waldflächen, Felder und kleinere Orte wechseln sich ab, wir treffen andere Radler auf dem R1, alles ruhig und unspektakulär. Es ist so ruhig hier, dass das ausgewählte Restaurant scheinbar keine Küche mehr braucht. Da sitzen wir hungrig über der Speisekarte, haben uns mit Mühe etwas ausgesucht, nicht einfach, wenn alles in Polnisch beschrieben ist und warten auf die Kellnerin. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie mit gezücktem Block endlich an unseren Tisch und teilt uns mit, das es hier keine Küche mehr gibt! Ein Restaurant, in dem man nur noch Getränke serviert bekommt, schon ulkig, also mal wieder in den nächsten Imbiss, gibt nämlich sonst keine Restaurants in dem Ort.
Dann ist es fast geschafft, wir kommen durch Slubice (Dammvorstadt), überqueren die Brücke über die Oder und haben Polen verlassen! Keine Deutschlandfahne, nichts, nur ein Ortsschild: Frankfurt (Oder) und zwei deutsche Polizeiautos. Wieder in Deutschland, ein komisches Gefühl, nicht wirklich zu beschreiben, eine lange Reise geht zu ende. Ich werde mein Fahrrad nach Hause schicken und mit dem Zug nach Köln reisen. Michael will durch Deutschland radeln, ich habe dafür nicht mehr die nötige Energie. Ein seltsames Gefühl breitet sich aus, ein wenig Wehmut, dass es vorbei ist, Freude die Familie und Freunde zu sehen und die Ungewissheit wie das Leben jetzt weiter geht. Es braucht sicher noch Zeit um die Erlebnisse und Eindrücke zu verarbeiten und einzuordnen und wieder in einen normalen Alltag zurück zu finden. Eine lange spannende Reise ist vorbei und ich will mich auf alles freuen was das Leben für mich bereit hält.